Das war Lichtjahre voraus 2018

Seit 2013 laden wir euch einmal im Jahr zu einem Weltraumforschungsabend in die Kölner Zentralbibliothek ein. Forscherinnen und Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt berichten von ihren aktuellen Projekten und beantworten eure Fragen. Dieses Mal erreichte uns knapp 2 Wochen vor der Veranstaltung die freudige Nachricht, dass auch der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer für einen Vortrag zur Verfügung stand. Und so kam es, dass wir diesmal gleich vier Vortragende begrüßen durften!

Dunkle Energie und das deutsche Röntgenteleskop eROSITA

Als erstes betrat Dr. Thomas Mernik die Bühne. Er arbeitet am Bonner DLR-Standort in der Abteilung „Extraterrestrik“ und sprach bei „Lichtjahre voraus“ über Dunkle Energie und das deutsche Röntgenteleskop eROSITA.

Wer beim Titel automatisch an Dunkle Materie denkt, wird überrascht sein, denn hier handelt es sich tatsächlich um zwei unterschiedliche Hypothesen, die sich auf unterschiedliche Beobachtungen beziehen.

Dunkle Materie wird immer dann angenommen, wenn für die Erklärung eines Phänomens zusätzliche Masse nötig ist. So zum Beispiel bei Spiralgalaxien. In ihrem Zentrum werden massereiche Schwarze Löcher vermutet, um die sich die Sterne der Galaxie drehen. Mit soviel Masse im Zentrum müssten sich die inneren Sterne schneller bewegen als die auf den äußeren Umlaufbahnen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Bahngeschwindigkeiten nehmen nach außen hin sogar zu. In einer Spiralgalaxie scheint es also eine große Menge an Masse zu geben, die wir nicht sehen und nicht messen können, sondern die sich uns aktuell nur durch ihre Gravitationswirkung zeigt. Diese Masse wird Dunkle Materie genannt.

Die Existenz von Dunkler Energie soll dagegen ein Phänomen erklären, dass der Gravitation entgegensteht. Unser Universum dehnte sich nach seiner Entstehung zunächst rapide aus. Die weitere Expansion war zwar weitaus schwächer aber stetig. Mit Blick auf die Materie im Universum und die wirkenden Gravitationskräfte war man davon ausgegangen, dass sich die Expansion letztendlich verlangsamen und sogar umkehren würde. Aber tatsächlich haben Untersuchungen ergeben, dass die Expansionsgeschwindigkeit des Universums aktuell zunimmt. Da dies mit Gravitation nicht zu erklären ist, wird stattdessen angenommen, dass der „leere“ Raum des Universums mit etwas gefüllt ist, das sich als abstoßende Kraft bemerkbar macht. Hierfür wurde der Begriff Dunkle Energie geprägt.

Man geht davon aus, dass 71,4% des Universums aus Dunkler Energie bestehen. Da auch hier wieder keine direkten Beobachtungen und Messungen möglich sind, richtet die Forschung ihren Blick auf die größten (sichtbaren) Gebilde unseres Universums: Galaxienhaufen. Wie ist ihre Verteilung im Universum? Wie schnell bewegen sie sich? Wie interagieren sie miteinander? Und wie verhalten sie sich im interstellaren Medium? Die russisch-deutsche Spectrum-Roentgen-Gamma-Mission bringt voraussichtlich im Juni 2019 das Röntgenteleskop eRosita ins All. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren wird das Teleskop Galaxienhaufen und andere Röntgenquellen kartieren und so hoffentlich Rückschlüsse auf die Eigenschaften der sie umgebenden Dunklen Energie ermöglichen.

Weitere Informationen finden sich hier im Vortragsvideo und auf den Seiten des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik und der Universität Tübingen.

 

Antriebstechnologien in der Raumfahrt

Für die Abteilung „Technik für Raumfahrtsysteme und Robotik“ sprach Dr. Arianit Preci über Antriebstechnologien in der Raumfahrt.

Das schnellste Raumfahrzeug aller Zeiten ist die Parker Solar Probe, die seit 2018 auf einer immer enger werdenden Umlaufbahn um die Sonne kreist und dabei bisher schon eine Geschwindigkeit von über 343.000 km/h erreichte. Leider eignet sich die Anziehungskraft der Sonne jedoch nur selten als Antriebsform. ;)

Für den Start von Raketen wird viel Schub in kurzer Zeit benötigt, um den Flugkörper auf Fluchtgeschwindigkeit zu beschleunigen und aus der Erdatmosphäre herauszutragen. Hier eignen sich chemische Antriebssysteme bisher am besten. Für Raumfahrzeuge, die sich bereits im Weltraum befinden und lange Strecken zurücklegen sollen, sind sie jedoch nicht die erste Wahl. Ihr Treibstoff ist schnell aufgebraucht und sorgt über lange Distanzen für verhältnismäßig wenig Schub; man spricht hier von einem geringen spezifischen Impuls. Wenn weit entfernte Ziele angesteuert werden, braucht es Antriebssysteme, die das Raumfahrzeug über lange Strecken beschleunigen können und ihm somit eine hohe Endgeschwindigkeiten ermöglichen.

Einen solchen höheren spezifischen Impuls haben elektrische Antriebe. Elektrothermische Antriebe wie Resistojets und Arcjets heizen den Treibstoff elektrisch auf – vereinfacht gesagt wie ein Tauchsieder. Der Treibstoff entweicht dann durch die Antriebsdüse. Elektrostatische Antriebe (z.B. Ionentriebwerke) und elektromagnetische Antriebe (z.B. gepulste Plasmatriebwerke) ionisieren und beschleunigen den Treibstoff in einem elektrischen bzw. elektromagnetischen Feld.

Auch in Deutschland werden elektrische Antriebssysteme gebaut. Die ArianeGroup entwickelt in ihrem Orbital Propulsion Centre in Lampoldshausen Radiofrequenz-Ionen-Triebwerke (RIT). RIT2X ist von Boeing für ihre Telekommunikationssatelliten ausgewählt worden; der Arclight-Antrieb ist für die Space Drones von Effective Space vorgesehen. In Ulm entwickelt Thales Deutschland sogenannte HEMP-Triebwerke (High Efficiency Multi Stage Plasma). Diese sollen demnächst in der Heinrich-Hertz-Mission (H2Sat) zum Einsatz kommen.

Die Entwicklung elektrischer Antriebssysteme wird im Rahmen des Projekts „Electric Propulsion Innovation & Competitiveness“ (EPIC) von der EU gefördert.

Neben den chemischen und elektrischen Antrieben wurde im Vortrag auch auf folgende (mögliche bis unbewiesene) Antriebstechnologien eingegangen: Nuklearthermischer Antrieb, Sonnenwindsegel, Sonnen- bzw. Lichtsegel, EmDrive und Mach-Effekt-Antrieb.

Weitere Informationen finden sich hier im Vortragsvideo, auf der EPIC-Themenseite des DLR-Raumfahrtmanagements und im DLR-Magazin Countdown (Ausgabe 32, 2016). Außerdem gibt es von der Sendung mit der Maus ein ausführliches Erklärvideo über den Sauerstoff-Wasserstoff-Antrieb einer Ariane 5.

 

Update zur Horizons-Mission von Alexander Gerst

Nachdem wir 2017 eine Vorschau auf die Horizons-Mission erhalten hatten, gab uns Dr. Jürgen Schlutz von der Abteilung „ESA-Angelegenheiten“ nun ein Missions-Update.

Seit dem 8. Juni 2018 befanden sich ESA-Astronaut Alexander Gerst, NASA-Astronautin Serena Auñón-Chancellor und Kosmonaut Sergei Prokopjew als Teil der Expeditionen 56 und 57 an Bord der ISS. Die Beteiligung an der Internationalen Raumstation ist eine große Chance für die europäische Wissenschaft, denn die ISS ist ein Forschungslabor mit einzigartigen Voraussetzungen:

  • sie befindet sich im Vakuum des Weltalls
  • Effekte der Gravitation sind minimal (Mikrogravitation)
  • sie bewegt sich mit großer Geschwindigkeit
  • und sie befindet sich oberhalb der Atmosphäre

Die Horizons-Mission von Alexander Gerst umfasste über 60 europäische Experimente. Unter den 41 Experimenten mit deutscher Beteiligung waren u.a. die folgenden:

Mit dem Atmosphere-Space Interactions Monitor (ASIM) an der Außenhaut des Columbus-Moduls können nun faszinierende Wetterphänomene untersucht werden, die sich über Gewitterwolken in der Hochatmosphäre abspielen. Dazu zählen unter anderem Sprites: Grüppchen roter, blitzartiger Licht-Erscheinungen.

Das DLR Earth Sensing Imaging Spectrometer (DESIS) wurde von Alexander Gerst persönlich ausgepackt, bevor es per Roboterarm außen an der ISS installiert wurde. Es dient der hyperspektralen Erdbeobachtung mit 235 Kanälen vom visuellen bis zum infraroten Spektrum. Damit können die Land- und Wasserflächen der Erde beobachtet und Veränderungen im Ökosystem erkannt werden. Zum Beispiel ermöglichen die Daten Rückschlüsse auf das Klima, auf Bodennutzungen und auf den Gesundheitszustand von Wäldern.

Mit SPACETEX-2 und MetabolicSpace wurden Verbesserungen für die sportlichen Aktivitäten der Astronauten getestet. Die Hightech-Textilien von SPACETEX-2 sollen den in der Schwerelosigkeit reduzierten Wärmeaustausch der Haut unterstützen, damit die Astronauten bei ihrem täglichen Training nicht überhitzen. Zur medizinischen Überwachung der Weltraumsportler dient das Messsystem MetabolicSpace. Im Gegensatz zu früheren Messmethoden kann es am Körper getragen werden, ohne das Training zu behindern.

Alex testete auch IBMs Assistenzroboter CIMON – die erste KI im All. Falls ihr im Oktober 2018 auf unserem MINTköln Aktionstag wart, kennt ihr CIMON schon persönlich. In der Zentralbibliothek konnte man ihn aus nächster Nähe sehen.

Ein absolutes Highlight der Horizons-Mission: Am 3. Oktober übernahm Alexander Gerst als erster Deutscher und zweiter Europäer das Kommando über die Internationale Raumstation. Der Kommandant ist verantwortlich für das Wohlergehen der Crew, das effiziente und harmonische Zusammenarbeiten an Bord und die Unversehrtheit der Station. Er steht im engen Kontakt mit der Flugleitung am Boden. Läuft alles gut, tritt er kaum in Erscheinung, aber wenn in brenzligen Situationen schnelle Entscheidungen gefordert sind oder gar der Kontakt zur Bodenstation wegfällt, liegt die Mission in seinen Händen.

Nach der Kommandoübergabe und dem Rückflug der alten Crew sollte am 11. Oktober eigentlich die nächste Crew ins All starten. Doch ein Raketen-Booster konnte nicht planmäßig abgesprengt werden, schlug an die Rakete zurück und löste das Notsystem aus. Glücklicherweise landete die Kapsel mit den Astronauten wieder sicher auf der Erde, doch die ISS blieb fast zwei Monate lang unterbesetzt. Alexander schrieb im Mission-Blog von den Herausforderungen dieser Zeit an ihn und seine beiden Crew-Mitglieder. Nachdem die Fehleranalysen abgeschlossen waren, wurde der nächste geplante Raketenstart auf den 3. Dezember vorverlegt. Diesmal gab es keine Probleme und die neue Crew stieg (zufälligerweise genau während unserer Abendveranstaltung) aus ihrer Soyuz in die ISS um.

Weitere Informationen finden sich hier im Vortragsvideo, auf den Horizons-Seiten des DLR und im Mission-Blog.

 

ESA-Astronaut Matthias Maurer: Astronautische Raumfahrt heute und morgen

Der letzte Vortrag des Abends war für den ESA-Astronauten Matthias Maurer reserviert. Er setzte dort an wo der vorherige Vortrag aufgehört hatte und bot uns einen Einblick in die nahe Zukunft der astronautischen Raumfahrt.

Der allgemeine Konsens ist: erst zum Mond, dann zum Mars. Den Mond hat seit 1972 kein Astronaut mehr betreten, doch als Vorbereitung für astronautische Langzeitmissionen tritt er nun wieder in den Fokus. In relativer Nähe zu Erde und mit überschaubarem Risiko können auf dem Mond Erfahrungen gesammelt und Technologien getestet werden, die ein möglichst autarkes Leben und Forschen auf dem Mars erlauben. Wie können vor Ort Treibstoff, Sauerstoff und Wasser erzeugt werden? Ist die Energieversorgung sichergestellt? Können die Astronauten durch fernsteuerbare oder autonome Systeme bei ihrer Arbeit unterstützt werden? Wie kann man die Unterkünfte vor Strahlung und Mikrometeoriten schützen? Und wie müssen Raumanzüge für Mond und Mars beschaffen sein? Während der Apollo-Missionen schliff sich der scharfkantige und stark haftende Mondstaub regelrecht durch die Stiefel, Verbindungsstücke und Dichtungen.

Beim DLR in Köln entsteht demnächst LUNA, eine Trainingsanlage für Mondmissionen. Die 1000 Quadratmeter große Halle ist voraussichtlich ab 2020 einsatzbereit. Sie bietet die Landschaft, den Tag-Nacht-Rhythmus und die niedrigere Schwerkraft des Mondes. Letztere wird allerdings über Seile simuliert, die das Gewicht der Testpersonen entlasten. Beim DLR gibt es bereits einen Sonnenofen mit dem aus mondstaubähnlicher Vulkanasche „Backsteine“ gesintert werden können. Und aus Titaneisen (Ilmenit) kann mit einem Sonnenofen sogar Sauerstoff gewonnen werden.

Doch vor der nächsten bemannten Mondlandung schwebt der NASA zunächst der Aufbau eines Außenpostens im Mondorbit vor. Dieses Lunar Orbital Platform Gateway soll als Ausgangsbasis für Mond- und Marsmissionen dienen. Das erste Modul könnte bereits 2022 starten.

Was dies für die Internationale Raumstation bedeutet, die 2018 ihr 20-jähriges Jubiläum feierte, steht noch nicht fest. Momentan scheint ihre Finanzierung bis 2030 gesichert. Eventuell wird es aber irgendwann eine kommerzielle Station im erdnahen Orbit geben.

Eine Alternative bietet das chinesische Raumfahrtprogramm. Nach Russland und den USA schaffte es China 2003 als dritte Nation, Menschen ins All zu befördern. Die chinesische Raumfahrtbehörde CNSA plant den Bau einer eigenen Raumstation im Erdorbit. Nach Tests der Prototypen Tiangong-1 (2011 bis 2018) und Tiangong-2 (seit 2016) mit unbemannten und bemannten Phasen steht nun der Aufbau der eigentlichen Raumstation bevor, die bis 2022 betriebsbereit sein soll.

ESA und CNSA haben ihre Beziehungen in den letzten Jahren intensiviert. Ein Taikonaut nahm 2016 am jährlichen CAVES-Training des Europäischen Astronautenzentrums teil. Das „Cooperative Adventure for Valuing and Exercising human behaviour and performance Skills“ in den Sa-Grutta-Höhlen auf Sardinien soll Astronauten auf die Zusammenarbeit in multikulturellen Teams vorbereiten. Ein Jahr später flogen Matthias Maurer und seine italienische ESA-Kollegin Samantha Christoforetti zu einem Überlebenstraining der Taikonauten. Maurer, Christoforetti und der französische ESA-Astronaut Thomas Pesquet lernen seit einigen Jahren Chinesisch. ESA und CNSA sind also dabei, sich kennenzulernen, Vertrauen zu fassen und kulturelle Unterschiede zu erkunden. Dies ist ihnen leider nicht im Rahmen gemeinsamer Aufenthalte an Bord der ISS möglich, da die US-amerikanische Regierung die Beteiligung Chinas an der Internationalen Raumstation bisher ablehnt. Und trotzdem konnte 2016 ein bisschen China auf die ISS und ein bisschen Europa auf die Tiangong-2 geholt werden. Die beiden Raumfahrtorganisationen organisierten einen Austausch von Weltraummahlzeiten und erhielten so einen Einblick in die Regularien und Abläufe auf der jeweils anderen Seite. Außerdem können wir uns an zwei Videonachrichten erfreuen, die von den Taikonauten und von Thomas Pesquet an Bord ihrer Stationen aufgezeichnet wurden.

Weitere Informationen finden sich hier im Vortragsvideo und in den Vortragsfolien von Matthias Maurer.

 

Lieben Dank und bis zum nächsten Mal

Am Ende des Abends steht bei Lichtjahre voraus immer die Verlosung. Matthias Maurer griff beherzt in die Lostrommel und zog einen Gewinner nach dem anderen. Unter den Preisen waren diesmal Leuchtkullis von @DLR_next, DLR-Frisbees, Mission-Patches, DLR-Tassen, Bücher über Astrofotografie vom O’Reilly-Verlag (danke!) und eine Führung durch den Kölner DLR-Standort. Noch einmal herzlichen Glückwunsch an alle Gewinnerinnen und Gewinner!

Lichtjahre voraus 2018 - Unser Publikum

Einen herzlichen Dank an unsere Vortragenden und an unsere Ansprechpartner bei DLR und ESA, die uns jedes Jahr faszinierende Menschen mit faszinierenden Themen schicken.

Wir freuen uns auf das nächste Mal!

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(ba)

Eine Antwort zu “Das war Lichtjahre voraus 2018

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