Das war „Green Hightech – Forschen für die Energie- und Mobilitätswende“

Im Jahr 2020 dominierte die Corona-Pandemie die Nachrichten, doch weltweite Wetter- und Klimaextreme ließen uns den rapiden, menschengemachten Klimawandel nie ganz aus dem Blick verlieren. Nun steht fest: Für Europa war 2020 das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Weltweit gesehen wurde der Temperaturrekord des Jahres 2016 eingestellt. Ein weiterer tiefroter Klimastreifen (siehe Abbildung). Im Vergleich zu den Klimadaten zu Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert beträgt die globale Erwärmung aktuell bereits 1,25 Grad Celsius. (Quelle auf englisch, Quelle auf deutsch)

Vertikale Klimastreifen zur Visualisierung der globalen Erwärmung. Am unteren Rand Jahreszahlen zur groben Orientierung: 1860, 1890, 1920, 1950, 1980, 2010. Mit einer Ausnahme hellblaue bis dunkelblaue Streifen bis etwa 1980. Danach zunächst hellblaue und hellrote Streifen. Ab spätestens 2000 nur noch rote Streifen. Ab etwa 2015 rote bis dunkelrote Streifen.
Klimastreifen 1850-2019: Blaue Jahre waren kälter, rote Jahre waren wärmer als das langjährige Mittel (CC-BY 4.0 Ed Hawkins – University of Reading)

Im Rahmen des MINT-Festivals MINTköln setzte die Stadtbibliothek Köln im Oktober 2020 ihren Fokus auf die Themen Umwelt und Klima. Auch geeks@cologne war aufgefordert, einen Veranstaltungsbeitrag zu leisten. Als Nerds vom Dienst interessierten wir uns für Lösungsansätze aus der Forschung und für einen direkten Draht zu den Wissenschaftler*innen: Wie können Emissionen reduziert oder ganz vermieden werden? Welche Technologien eignen sich für die Energie- und Mobilitätswende?

Forschung zu diesem Thema findet unter anderem direkt in Köln statt: im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Zu den Fachgebieten des DLR gehören neben Luft- und Raumfahrt auch Energie, Verkehr, Sicherheit und Digitalisierung. Mit dieser Kombination betreibt das DLR in seinem deutschlandweiten Institutsnetz Hightech-Forschung für die Energie- und Mobilitätswende. Dabei reicht das Themenspektrum von synthetischen und emissionsoptimierten Kraftstoffen über Energiespeicher und Energiewandler bis hin zu neuen Mobilitätskonzepten und einem umweltverträglichen Luftverkehr.

Und so begrüßten wir am 21. Oktober ein reduziertes Publikum und zwei live zugeschaltete Wissenschaftler des DLR zu unserer corona-konformen ersten Ausgabe von „Green Hightech – Forschen für die Energie- und Mobilitätswende“.

Solarforschung und Energiespeicher

Im ersten Vortrag berichtete Prof. Dr. Bernhard Hoffschmidt, der Direktor des in Köln angesiedelten DLR-Instituts für Solarforschung, über solarthermische Kraftwerke, Wärmeträger und die Nachnutzung von Kohlekraftwerken als Energiespeicher.

Die Funktion von solarthermischen Kraftwerken erläuterte er am Beispiel der Turmkraftwerke. Hier wird die Sonnenstrahlung mit zahllosen Spiegeln auf die Spitze eines Turms konzentriert. Dort befindet sich der Receiver: eine Vorrichtung, in der die Hitze auf einen kontinuierlichen Fluss eines hitzespeichernden Materials übertragen wird. Der CentRec-Receiver in Hoffschmidts Beispiel hat die Form eines langgezogenen, nach schräg-unten gekippten Betonmischers. Am geschlossenen Ende werden keramische Kügelchen (Bauxit-Partikel, siehe Abbildung) eingespeist. Da die Trommel rotiert, schmiegen sich die Partikel an die Innenwand und bewegen sich nur langsam auf das offene Ende zu. Die Partikel heizen sich auf, fallen aus dem Receiver in ein Rohrsystem und werden in Hochtemperaturspeichern gelagert bis die Hitze zur Stromerzeugung gebraucht wird. Die höchste bisher erreichte Temperatur am Auslass des Receivers wurde auf dem DLR-Testgelände in Jülich gemessen: 965 Grad Celsius.

Hochtemperaturspeicher eignen sich nicht nur für die Nutzung in solarthermischen Kraftwerken. Das Zwischenspeichern von Hitze kann ein Problem lösen, das oft im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien genannt wird: die Versorgungssicherheit. Denn Energiequellen wie Sonnenlicht und Wind können nicht bedarfsgerecht und regelbar erzeugt werden. Sonnenenergie wird nur tagsüber produziert und Windenergie nicht bei Flaute. Es kommt zur Über- und Unterproduktion. Um die Verstromung von Kohle und Gas trotzdem herunterfahren und Versorgungssicherheit garantieren zu können, müssten Überschüsse aus erneuerbaren Quellen gespeichert werden. Genau das kann der Hochtemperaturspeicher leisten. Der überschüssig produzierte Strom betreibt einen Heizer, der wärmespeichernde Materialien (wie die oben erwähnten keramischen Partikel) erhitzt. Nach der Zwischenlagerung im Hochtemperaturspeicher wird mit der gespeicherten Hitze Dampf erzeugt und eine Turbine angetrieben: regelbarer Strom entsteht. Noch dazu können die Hochtemperaturspeicher dort errichtet werden, wo sich bereits geeignete Großanlagen und Infrastruktur befinden: in heutigen Kohlekraftwerken. Somit ergibt sich eine Perspektive für die Nachnutzung von Kohlekraftwerken und für den Erhalt von Arbeitsplätzen und Knowhow in der Region.

Diese Zeilen sind nur ein kleiner Einblick in den Vortrag von Prof. Dr. Hoffschmidt. Die gesamte Präsentation inklusive anschließender Fragerunde findet ihr hier (zur Einblendung der Publikumsfragen bitte die Untertitel aktivieren):

Weiterführende Links:

Wasserstoff und Future Fuels

Der zweite Vortragende des Abends war Prof. Dr. Christian Sattler, der Leiter des neu eingerichteten DLR-Instituts für Future Fuels. Er berichtete vor allem über die Produktion, den Transport und die Wirtschaftlichkeit von Wasserstoff, sowie über die internationalen Strategien, um Wasserstoff als Treiber der Energiewende zu etablieren. Hier hat sich vor allem Japan hervorgetan. Das Land ist uns mit seiner Wasserstoffpolitik mehr als 10 Jahre voraus, da es Wasserstoff bereits in den Nullerjahren als Energieträger der Zukunft proklamierte und seit 2009 die Ausstattung von Wohnhäusern und PKWs mit Brennstoffzellen vorantreibt. Damit öffnet es einen internationalen Markt für Wasserstoff und Innovationen, denn Japan kann seinen Wasserstoffbedarf nicht lokal decken. Ende 2019 lief in Japan der weltweit erste Tanker zum Transport von flüssigem Wasserstoff vom Stapel. Auch der Transport von Wasserstoff in gebundener Form wird bereits praktiziert, zum Beispiel mit Lieferungen aus Brunei in Gestalt von Methylcyclohexan (in Deutschland werden gerade nicht-toxische, nicht-explosive Trägerstoffe in die Anwendung gebracht). Die Olympischen Spiele 2020 in Tokyo hatten der Showroom der japanischen Wasserstoffstrategie werden sollen. Die wasserstoffbasierte Infrastruktur des Mega-Events bis hin zum Olympischen Feuer sollten eine Einladung an die Welt werden, es Japan gleichzutun. Nachdem die Spiele 2020 verschoben werden mussten, bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf die weitere Planung hat.

Doch wenn Wasserstoff die Energiewende einläuten soll, dann ist eines extrem wichtig: Wasserstoff muss grün werden. In seiner Produktion dürfen also keine fossilen Energieträger vorkommen, es dürfen keine Treibhausgase entstehen. Das DLR arbeitet im Auftrag der Bundesregierung daran, Technologien zur Nutzung von Solarenergie weiterzuentwickeln. Bietet sich Sonnenenergie zur Produktion von Wasserstoff an? Kann mit einem Solarturm Wasserstoff produziert werden? Mit Blick zurück auf den ersten Vortrag wäre ein Möglichkeit die Elektrolyse: also die Produktion von Solarstrom wie von Herrn Hoffschmidt beschrieben und die Nutzung dieses Stroms zur Spaltung von Wassermolekülen (H2O) in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O). Doch im Rahmen des HYDROSOL-Projekts forscht das DLR seit 2002 an einer schlankeren Lösung mit höherem Wirkungsgrad, bei der der Wasserstoff direkt in der Turmspitze produziert wird: die solare thermochemische Wasserspaltung. Der Receiver an der Spitze des Turms ist nun nicht mehr mit einer rotierenden Trommel ausgestattet, sondern mit einer Reaktorkammer für die chemische Reaktion. In der Kammer befindet sich ein Metalloxid, also eine Metall-Sauerstoff-Verbindung wie z.B. Ceroxid, die bei sehr hohen Temperaturen Sauerstoff abgibt (Reduktion) und bei niedrigeren Temperaturen Sauerstoff aufnimmt (Oxidation). Da das Metalloxid dabei nicht in Mitleidenschaft gezogen wird, können beide Prozesse in einem ständigen Kreislauf für die Wasserspaltung genutzt werden. In der Reduktionsphase wird das Sonnenlicht auf den Receiver konzentriert, die Temperatur steigt auf 1400 Grad Celsius und das Metalloxid gibt Sauerstoff frei, der aus der Kammer abgeleitet wird. Dann wird der Sonnenfokus verschoben, die Temperatur im Receiver sinkt und dem Reaktor wird Wasserdampf (H2O) zugeführt. Das Metalloxid reagiert mit dem Wasserdampf und bindet den darin enthaltenen Sauerstoff (O): zurück bleibt Wasserstoff (H2).

Die Nutzung der gebündelten Sonnenhitze zum Antreiben solcher Hochtemperaturprozesse eröffnet vielfältige Möglichkeiten: neben Wasserstoff können andere Brennstoffe wie SynGas, Methanol und Kerosin hergestellt werden, aber auch Chemikalien (wie Schwefel und Ammoniak) und andere Materialien (wie Zement, Phosphat und Metall). Außerdem ermöglichen thermochemische Verfahren eine Langzeitspeicherung der Hitze. Dazu werden chemische Kreisprozesse genutzt, die in der Hinreaktion Hitze benötigen und in der Rückreaktion Hitze freisetzen. Die Produkte der Hinreaktion können beliebig lang gelagert werden bis die Hitze benötigt wird. Dies ist ein Vorteil gegenüber der Hochtemperaturspeicher aus dem ersten Vortrag, die über die Zeit Temperaturverluste erleiden.

Im DLR spürt man, wie Solarenergie und ähnliche Themen seit dem Pariser Klimaabkommen 2015 an Fahrt gewinnen. Es kommt Bewegung in die Industrien. Hersteller suchen nach emissionsfreien Rohstoffen für ihre Produkte. Es entstehen Bedarf, Märkte, Investitionen, Partnerschaften, Innovationen und Lösungen. Das DLR kann seine Forschungen höher skalieren, bekommt zahlreiche Kooperationsanfragen aus Industrie und Wirtschaft und profitiert von der Strukturförderung der deutschen Politik. So entstanden in den letzten Jahren mehrere neue DLR-Institute, die an der Energie- und Mobilitätswende forschen – darunter das Institut für CO2-arme Industrieprozesse und das Institut für emissionsarme Luftfahrtantriebe in Cottbus, das Institut für Vernetzte Energiesysteme in Oldenburg und das von Sattler geleitete Institut für Future Fuels in Jülich, das seit dem 01.01.2021 einsatzbereit ist.

In seinem Vortrag gab Prof. Dr. Sattler einen Überblick über die bevorstehende Forschung im DLR-Institut für Future Fuel und schnitt viele weitere Themen an, die dieser Nachbericht nicht abdecken kann. Den gesamten Vortrag inklusive anschließender Fragerunde findet ihr hier (zur Einblendung der Publikumsfragen bitte die Untertitel aktivieren):

Weiterführende Links:

Wie immer geht unser herzlichster Dank an unsere Vortragenden und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, welches wir bisher sträflicherweise nur zu Weltraumthemen eingeladen hatten. ;) Wir hatten ja keine Ahnung, was wir verpassen.

Doch trotz aller Technik-Begeisterung noch eine Schlussbemerkung: Wir wollen nicht den Anschein erwecken, als bräuchte es nur die nächste große Technologie, um den Klimawandel zu stoppen. Die Klimakrise setzt viele Selbstverständlichkeiten auf den Prüfstand und erfordert eine Neuausrichtung politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prioritäten. Neue Technologien sind nur einer der nötigen Bausteine um nachhaltige Veränderungen herbeizuführen.

(ba)

4 Antworten zu “Das war „Green Hightech – Forschen für die Energie- und Mobilitätswende“

  1. Pingback: Green Hightech 2022: Urbane Mobilität (Online-Event am 05. Oktober 2022) | geeks@cologne·

  2. Pingback: Online-Event: Green Hightech 2021 – Umweltverträgliche Luftfahrt | die Stadtbibliothek Köln bloggt·

  3. Pingback: Green Hightech 2021 – Flugverkehr (Online-Event am 01. September 2021) | geeks@cologne·

  4. Hat dies auf die Stadtbibliothek Köln bloggt rebloggt und kommentierte:

    Bei unserer Veranstaltung „Green Hightech: Forschen für die Energie- und Mobilitätswende“ gaben uns Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) einen spannenden Einblick in ihre Forschungsprojekte im Bereich der Solarenergie, Energiespeicher, Energiewandler, Future Fuels und Wasserstoff. Hier nur unser Nachbericht mit den Videoaufzeichnungen beider Vorträge!

Hinterlasse einen Kommentar